Short Tiger 2025 – Die Gewinner
Zum 15. Mal vergibt die gemeinsame Kurzfilminitiative von FFA und German Films den SHORT TIGER AWARD an die besten Kurzfilme fürs Kino. Die ausgezeichneten Filmemacher*innen erhalten ein zweckgebundenes Preisgeld von jeweils 5.000 Euro für neue Projekte und einen Vertrag mit einem Kurzfilmverleih, der die Filme schnell und unkompliziert ins Kino bringt. Im April 2025 feierten die ausgezeichneten Filme zum fünften Mal auf dem Filmfest Dresden ihre Premiere im Rahmen des Programms NEXT GENERATION SHORT TIGER. Die Jury bestand aus Thea Ehre (Schauspielerin und Gewinnerin des Silbernen Bären der Berlinale 2023), Alexandra Gramatke (Geschäftsführerin Kurzfilm Agentur Hamburg) und Andreas Heidenreich (Vorstand im Bundesverband kommunale Filmarbeit, Kommunales Kino Weiterstadt).

BALKONE
Animation ⸱ 2024 ⸱ 5:20 Min. ⸱ kein Dialog
REGIE / DREHBUCH / SCHNITT Xenia Smirnov
ANIMATION Noah Erni, Felix Reijmers, Ana Maria Angel, Rike Rothe, Anna Levinson, Olga Bankova, Xenia Smirnov, Anna Dekker, Mareike Graf, Miranda Peyton-Jones
MUSIK Matija Strniša
EINE PRODUKTION VON monströös Studio für Animation
BALKONE zeigt die Kuriositäten und liebenswerten Eigenarten im Alltagsleben eines Hochhauses durch den Einblick in die Balkone der Bewohner*innen. Im Rhythmus der Klänge der Bewohner*innen erleben wir einen Tag in ihrem Leben. Die Musik treibt die Handlung voran, bis die Sonne untergeht. Die Erzählung über das Zusammenleben verschiedenster Menschen im Mikrokosmos des Hauses ist gleichzeitig ein poetischer Kommentar auf das gesellschaftliche Zusammenleben.
XENIA SMIRNOV, 1987 in Kasachstan geboren, wuchs in Georgien und Russland auf und studierte in St. Petersburg Animation. Ab 2011 setzte sie ihr Studium an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF Potsdam fort und schloss es 2016 ab. Sie lebt und arbeitet in Berlin.
Mit „Balkone“ gelingt Xenia Smirnov ein liebevoller Blick auf das alltägliche Leben in einem Hochhaus. Die klug gesetzte Musik- und Soundgestaltung lässt den Film mit jeder Szene wachsen – aus kleinen Beobachtungen entsteht ein vielschichtiges Porträt des Zusammenlebens.
Das Fenster wird dabei zum Symbol für den Raum zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, zwischen Rückzug und Gemeinschaft. Eine starke Idee, minimalistisch und kreativ umgesetzt – zugänglich, witzig, schön gezeichnet und überraschend tief.
OBEY, OBEY
Animierte Dokumentation ⸱ 2024 ⸱ 3:56 Min. ⸱ Englisch / Japanisch
REGIE / DREHBUCH / SCHNITT / MUSIK / PRODUKTION Akira Kawasaki
KAMERA Maayane Bouhnik
EINE PRODUKTION DER DFFB
Ein Tutorial, wie man die Ästhetik einer gehorsamen japanischen Schülerin perfekt hinbekommt.
AKIRA KAWASAKI, geboren 1996 in Fukuoka, Japan, ist eine Filmemacherin, audiovisuelle Künstlerin und Musikerin, die seit 2019 in Berlin lebt. Derzeit studiert sie Filmregie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (DFFB).
„Obey obey“ von Akira Kawasaki kommt daher wie ein Tutorial über die strengen Regeln, denen japanische Schülerinnen in Bezug auf ihr Aussehen unterworfen sind. Bis hin zur Form der Augenbrauen und Länge der Haare ist alles haargenau vorgeschrieben. Doch der Titel lässt vermuten, dass es hier um mehr als ein ordentliches Erscheinungsbild im Klassenraum geht. Dient dieser Eingriff in das körperliche Selbstbestimmungsrecht der Mädchen nicht in letzter Konsequenz dazu, sie zu gehorsamen Staatsbürgerinnen zu erziehen, nach dem Motto: bloß nicht auffallen, also auch nicht aufmüpfig sein?
Eine erstaunliche Leichtigkeit, bunte Farben, vespielt-experimentelle Animationen und ein gekonnt minimal eingesetzter Soundtrack bilden einen spannenden Gegensatz zu dieser Thematik. Genau darin liegt die Stärke des Films: Er verweist implizit auf gesellschaftliche Zusammenhänge, ohne zu belehren. Und indem sehr ausgiebig auch all das gezeigt wird, was nicht erlaubt ist (bunte Haare, knalliger Nagellack usw.) scheint uns die Regisseurin noch eine verschmitzte Botschaft mitzugeben: Und wir tun es doch…
PEAR GARDEN
Animation ⸱ 2024 ⸱ 7:00 Min. ⸱ Farsi
REGIE / DREHBUCH / PRODUKTION Shadab Shayegan
ANIMATION Gülce Besen Dilek, Valeriia Dyadyuh, Mikael Jacobsen, Yerkezhan Sabitbekova, Shadab Shayegan
SCHNITT Revan Sarikaya
MUSIK Periklis Liakakis
STIMMEN Cheshme Ebrahimzadeh, Nava Hemyari, Shahin Taslimi
EINE PRODUKTION DER Filmakademie Baden-Württemberg
Die sechsjährige Lili besucht ihre Großmutter, die nach einer Mastektomie keine Brüste mehr hat. In der Nacht sieht Lili den Schatten ihrer Oma mit Brüsten. Lili folgt dem Schatten und versucht, die Brüste für ihre Oma zurückzubekommen.
SHADAB SHAYEGAN wurde 1993 in Teheran geboren. Sie studierte Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien und Malerei und Animationsfilm an der Universität für angewandte Kunst Wien. Von 2021 bis 2024 studierte sie Animation an der Filmakademie Baden-Württemberg.
Omas Busen ist weg, und die Enkeltochter erschrickt zunächst einmal. Sie weiß noch nicht, was die Krankheit Krebs bedeutet, ist verwirrt, ängstlich, aufgewühlt – und sie zeigt das auch, versteckt ihre Gefühle und Fragen noch nicht so, wie es die Gesellschaft einmal von ihr verlangen wird. Wie in einem Puzzle versucht sie des Nachts, im Reich der Schatten und Träume, Oma wieder vollständig zu machen, und der Animationsfilm „Pear Garden“ hat dafür sehr eindrückliche, bewegende Bilder. Auf eine poetische Weise findet das Kind einen möglichen Weg, seine Gefühle zu verarbeiten, ohne sich über die Ernsthaftigkeit der Situation vollends im Klaren zu sein. Gerade durch das Scheitern des Versuchs, Oma wieder komplett zu machen, lernt es zu akzeptieren, dass diese jetzt so ist, immer noch derselbe Mensch mit derselben Liebe zwischen ihnen. Ein Film über die Zerbrechlichkeit der Menschen und die Stärke ihrer Bindungen, der mit viel Kreativität in Bild, Ton und Narration in einer einfachen Geschichte sehr viel vermittelt und tief ergreift.
SPÄTSOMMER 91
Dokumentation ⸱ 2024 ⸱ 2:59 Min. ⸱ Deutsch
REGIE / DREHBUCH / SCHNITT / PRODUKTION Olaf Held
KAMERA Kollektiv Krautfilm
Found Footage. Als im Spätsommer 1991 bei einer Geburtstagsparty das Salz ausging.
OLAF HELD, geboren 1970 in Chemnitz, gestaltete von 1994 bis 2004 die Kulturfabrik Voxxx mit und ist seit 2001 Teil der Chemnitzer Filmwerkstatt. Von 2006 bis 2011 studierte er Drehbuch und Dramaturgie an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Seit 2011 ist er freischaffender Regisseur, Dramaturg und Drehbuchautor. Seine preisgekrönten Kurz- und Langfilme wurden auf zahlreichen internationalen Festivals gezeigt.
Mit „Spätsommer 91“ gelingt Olaf Held ein originelles Spiel mit Erinnerung, Realität und filmischer Konstruktion. Aus privatem Found Footage entsteht durch klugen Schnitt und absurd-poetisches Erzählen ein überraschend stimmiges Narrativ. Der Film wirft dabei die Frage auf, wie Erinnerungen entstehen – und wie leicht sie sich manipulieren lassen.
Zwischen Nostalgie und Reflexion entsteht so ein Stück Zeitgeschichte, das mehr ist als bloße Rückschau. Ein filmisches Experiment, das auf charmante Weise seine eigene Wahrheit erzählt. Was passiert wenn auf einer Party plötzlich das Salz ausgeht?
TAKO TSUBO
Animation ⸱ 2024 ⸱ 6:00 Min. ⸱ Deutsch
REGIE Eva Pedroza, Fanny Sorgo
DREHBUCH Fanny Sorgo
ANIMATION / SCHNITT / KAMERA Eva Pedroza
MUSIK Mary Ocher
STIMMEN Len Jakobsen, Anne Kulbatzki, Benjamin Martin
PRODUKTION Eva Pedroza, Fanny Sorgo, Maria Trigo Teixeira
Herr Ham entscheidet sich für eine Herzentfernung, um von seinen komplizierten Gefühlen entlastet zu werden. Der Arzt versichert ihm, dass dies in der heutigen Zeit überhaupt kein Problem mehr darstellt. Nachdenklich veranlagt, behält Ham jedoch sein Herz nach der Entfernung noch eine Weile, um dieses vielleicht doch noch besser zu verstehen. Das Takotsubo-Syndrom, auch Stress-Kardiomyopathie oder Broken-Heart-Syndrom, ist eine seltene, akut einsetzende und oft schwerwiegende Funktionsstörung des Herzmuskels, die zumeist durch außergewöhnlichen emotionalen oder physischen Stress entsteht.
EVA PEDROZA, geboren 1982 in Buenos Aires, lebt als multidisziplinäre Künstlerin in Berlin. Sie studierte an der Universidad Nacional de las Artes in Buenos Aires und an der Universität der Künste Berlin. Ihre Arbeiten bestehen aus Zeichnungen, Keramiken, Gemälden und Animationen. Sie beschäftigen sich mit den Paradoxien von Subjekt und Objekt, den widersprüchlichen und symbiotischen Beziehungen zwischen Menschen und nichtmenschlichen Wesen, Kultur und Natur.
FANNY SORGO ist eine multidisziplinäre Künstlerin, die in Wien lebt. Sie studierte Szenisches Schreiben und Narrativer Film an der Universität der Künste Berlin und arbeitet als Autorin, Performerin, Komponistin und Regisseurin in den Bereichen Musik, Film und Theater. Ihre Texte und Stücke wurden an verschiedenen Theatern in ganz Europa aufgeführt, unter anderem an der Deutschen Oper Berlin. Im Jahr 2023 veröffentlichte sie ihre ersten beiden Songs und arbeitet derzeit an weiterer Musik.
Der Animationsfilm „Tako Tsubo“ von Fanny Sorgo und Eva Pedroza thematisiert ein Wesensmerkmal leistungsgetriebener Gesellschaften, in denen allzu komplexe Gefühle als Störfaktoren betrachtet werden, die es zu beseitigen gilt. Herrn Ham, der zu viel liebt, wird das Herz operativ entfernt, und seiner Mitpatientin, die zu viel raucht, die Lunge. Also nicht nur die Liebe, auch die Sucht als Störfaktor. Dass diese vielleicht gerade aus der Sehn-Sucht (!) nach Liebe entsteht, lässt sich nur erahnen.
In animierten Bildern von eigenwilliger Schönheit, gepaart mit klugen, lakonisch vorgetragenen Dialogen, lässt der Film eine surreale Welt entstehen, in der Brutalität und Sanftheit, Melancholie und Humor eine kunstvolle Liaison eingehen.
Wenn die beiden Operierten, nachdem viel Blut geflossen ist, in der letzten Szene gemeinsam in einem See aus eben jenem Blut sitzen und den Sonnenuntergang genießen, entsteht der tröstliche Eindruck, dass die Liebe den chirurgischen Eingriff überstanden hat. Und wenn dann noch der Song „Sweet Charity“ von Marie Ocher erklingt, ist das einfach – herzergreifend.
Buchung der Gewinner
Die Gewinnerfilme des SHORT TIGER 2025 können gebucht werden bei:
interfilm Berlin Kurzfilmverleih
Straßburger Str. 55
10405 Berlin
Tel: +49 (0) 30 - 25 94 29 04
verleih@interfilm.de
interfilm.de/kinoverleih