Short Tiger 2024 - Die Gewinner

Mit „Black Youth“ von Isaac Martínez zeichnen wir einen Film aus, der in bisher ungesehener und ungehörter Weise die brutalen Auswirkungen von tief verankertem Rassismus auf junge Schwarze Menschen in einer weißen Mehrheitsgesellschaft spürbar macht.
Dies zeigt sich bereits auf der visuellen Ebene: Eine weiße Schneelandschaft, in der drei Schwarze junge Männer ausgelassen herumtoben, kann als Metapher für eine Gesellschaft gelesen werden, in der Schwarze Menschen als Fremdkörper wahrgenommen werden. Die makellose Ästhetik der Bilder wird kontrastiert von der Brutalität des im Off gesprochenen Textes, der klarmacht: Der Begriff „Fremd-Körper“ ist hier keine Metapher, sondern gelebte Erfahrung eines heranwachsenden Schwarzen, der als fremder Körper wahrgenommen und behandelt wird und die immensen Auswirkungen auf seine Psyche aushalten muss. Die berührende Schilderung seiner Gefühle – von „Sadness“ über „Pain“ hin zu „Anger“ – vermittelt eine Ahnung, wie das bestehende Klischee der „Angry Black People“ entstanden sein könnte. In seiner rhythmisierten Sprechweise steht der Text in der Tradition der Spoken Word Poetry, die im anglo-amerikanischen Kontext verbreiteter ist als in Deutschland. Dieser Verweis macht noch einmal deutlich: Hier spricht nicht ein Einzelner, hier ergreifen viele Schwarze Menschen ihre Stimme, die gehört werden muss. „Your silence will not protect you“, um es mit den Worten der Schwarzen Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde zu sagen. Und so gelingt es dem Film, weiße Menschen zu sensibilisieren und zugleich allen von Rassismus Betroffenen die ermutigende Botschaft zu vermitteln, die im letzten Satz des Films kulminiert: „So, break free!“

Mit „Des Sängers Fluch“ gelingt Scarlett Unverricht ein beeindruckend einfühlsamer und märchenhafter Animationsfilm, eine Fabel über die ewige Kraft und Bedeutung von Kunst. Unverricht, die gleichermaßen für Regie und Animation verantwortlich ist, schuf ihren Kurzfilm basierend auf der gleichnamigen Ballade des Dichters Ludwig Uhland aus dem Jahr 1814. In der Geschichte kommen zwei Sänger an den Hof des Königs, um einen unwirschen Monarchen mit ihrer Musik zu erfreuen.
Die Kombination aus Bildern, Ton und Musik schafft eine beeindruckend authentische Stimmung, die nahtlos in das mittelalterliche Setting der Geschichte passt. Die Erzählung wird als Bardengesang vorgetragen, während Zeichenstil sowohl subtil als auch kraftvoll anmutet – und dabei vor allem an bemalte Zeichnungen auf mittelalterlichen Kirchenfenstern erinnert.
Mit „Des Sängers Fluch“ gelingt Scarlett Unverricht mit hoher Kreativität ein eindringliches Plädoyer und eine zeitlose Erinnerung an die unvergängliche Kraft der Kunst, die über alle Zeiten und Umstände hinweg strahlen kann. Für diese beeindruckende Leistung zeichnen wir sie und ihr Werk mit dem SHORT TIGER aus.

Ein gefräßiges Wesen hat die Versorgung mit seinem Lieblingsessen technologisch perfekt sichergestellt. Doch auch der größte Vorrat geht irgendwann zu Ende… Sofie Kienzle und Christian Manzke haben eine humorvolle und pointierte Stop-Motion-Fabel über die Endlichkeit der Ressourcen und den Raubbau am eigenen Planeten geschaffen, „Enjoy your meal“ ist amüsant, charmant und auf den Punkt. Herzlichen Glückwunsch an Sofie Kienzle und Christian Manzke zu diesem rundum gelungenen Kurzfilm!

Josef Brandl benötigt nur wenige Bilder, um uns in die Welt der kleinbürgerlichen Tristesse, der heruntergekommenen Kiezkneipen und Imbissbuden zu führen. Mit Leichtigkeit setzt er schon in den ersten Einstellungen den Ton für sein Werk.
Charmant und mit einem Augenzwinkern werden wir in die Geschichte eines trägen, melancholisch anmutenden Kneipenbesitzers eingeführt. Ohne viel Worte zeigt Brandl die omnipräsente Lethargie des Besitzers und seiner Kundschaft, während die geistreiche Musik treffend die Atmosphäre der Kneipe und die Gemütsverfassung der Anwesenden untermalt: „Dieser Ort ist im Vorbeifahren, dieser Ort ist gut zum Scheitern“. Die Kneipe wird so förmlich zu einem Raum, der Energie, Tatendrang und Hoffnung verschluckt, den ausweglosen Schicksalen aber zumindest eine kurzzeitige Ablenkung vom Alltag bietet.
Der Protagonist erlebt einen regelrechten Nervenzusammenbruch, als er sich bewaffnet vor der Kneipe stehen sieht – ein kluger und ironischer Erzählkniff von Brandl, der einen Menschen, der sich vor sich selbst und seinem Schicksal zu verstecken scheint, mit sich selbst konfrontiert.
„Superbuhei“ entwickelt sich zu einer stilsicheren, raffinierten und zugleich humorvollen Analyse über die Lebensrealität des Prekariats, Tristesse und Hoffnungslosigkeit – und so ein vielschichtiges Porträt menschlicher Existenz. Herzlichen Glückwunsch zum SHORT TIGER!

Mit betörend schönen Bildern, einem flirrenden Schnitt und einem soghaften Sounddesign erzählt Ben Galster das gleichsam intime wie politische Porträt des Künstlers Leo Maki und dessen Community. In nur kurzer Zeit und mit souveräner Ästhetik setzt der Film ein scharf-schillerndes Statement und gibt dadurch nicht nur einen Einblick, sondern auch eine klare Perspektive. So ist „The Hidden Dimension“  kraftvoll poetische Bestandsaufnahme und schillerndes Empowerment in einem. Eine großartig gelungene Melange! Vielen Dank für diesen eindrucksvollen und wichtigen Film an Ben Galster!